Dunkle Töne, lebhafte Highlights
[März 2010] Wo könnte das 200-jährige Jubiläum von Goethes Farbenlehre besser begangen werden als auf der Fachmesse Die Farbe – Ausbau & Fassade 2010 in München? Es lag also nahe, dass ich mich nach den großen Messen für Wohnambiente und Lifestyle am Jahresanfang auch in der bayrischen Landeshauptstadt umschaute. Auf der Leitmesse für Farbe, Fassade und Ausbau schwelgte ich ausgiebig und intensiv in dem breitem Spektrum aktueller Farbtrends und -produkte und informierte mich über innovative Anwendungsmöglichkeiten und traditionelle Handwerkstechniken.
Bei den aktuellen Wohnfarben beobachte ich seit einiger Zeit zwei Trends, die immer eindeutiger werden: Intensive Farbtöne, die satt und klar, aber auch relativ dunkel sind und dennoch für ganze Räume eingesetzt werden. Pastellige Textilien und zarte oder frische Accessoires setzen Akzente. Auch markante oder sogar plakativ wirkende Elemente sind willkommen.
Ein kleines Beispiel
Dunkelgraue, „taupefarbene“ Wände erhalten effektvolle Kontraste durch Bezugsstoffe in Aubergine und Vorhangstoffe in nuanciert abgestuften Lavendel-Azaleentönen. Häufig kommt noch ein Tupfer reizvolles Grün, der an fruchtige Limetten erinnert, zu diesem Farbspiel hinzu. Das Ergebnis:
Die Wand tritt zurück und der Raum wirkt – trotz seiner eher ungewöhnlichen Grundfarbe – heiter.
Bei den Materialien und Handwerkstechniken war mein Fokus auf möglichst natürliche, umweltfreundliche und nachhaltige Produkte gerichtet. Gleichzeitig legte ich Wert darauf, jenseits der Massenprodukte weltweit firmierender Großhersteller aus dem enormen Angebot das Handwerkliche herauszufiltern. Es ist in seiner Ursprünglichkeit oft genau das, was den spezifischen Anforderungen meiner Bauherrschaften gerecht wird und für persönlich gestaltete Projekte individuell einsetzbar ist.
Alpenglühen
Hier wurde ich erfreulicherweise bei einigen charakterstarken Materialien fündig: Mineralische Innenputze auf der Basis von Luftkalk, Marmor- und Gesteinsmehlen haben mich mit ihren feinen Farbnuancierungen beeindruckt. Und dass die Hersteller ihnen Namen wie „Alpenglühen“ oder „Himmel über Bayern“ gaben, hat sofort meine Fantasie beflügelt. Zu neuen originellen Gestaltungsideen inspirierten mich auch Tadelakte. Diese marokkanischen Kalkputze wurden von den Berbern ursprünglich genutzt, um traditionelle Fußböden und Wände wasserfest zu beschichten.
Die Vielfalt an schöpferischen Möglichkeiten und handwerklichen Fähigkeiten ist unglaublich groß. Von hervorragenden Spachtelarbeiten, sogenannten Stuccos, bis hin zu traumhaften Lackoberflächen zeigten besonders die Stände der Fach- und Meisterschulen für das Maler- und Lackiererhandwerk eindrucksvolle Arbeiten.
Vor allem die handgemachten Oberflächen und Strukturen, denen man ihre Einmaligkeit ansieht, haben mich wesentlich mehr fasziniert als die Neuschöpfungen der bekannten Tapetenhersteller. Das Originäre dieser Oberflächen lockt die Hand wie das Auge und vermittelt ein besonderes Einverständnis von Schaffenskunst und Natur.
Übrigens …
Auch außerhalb der Münchner Fachmesse flatterte mir in den letzten Tagen noch ein Farbtrend auf den Bürotisch. Und zwar gleich von verschiedensten Seiten sowie aus unterschiedlichsten Quellen: „Schwarz ist nicht zu bremsen“, hieß es da. Und das wohl nicht nur, weil Schwarz mit über 30 Prozent unangefochten auf dem Spitzenplatz der beliebtesten europäischen Autofarben liegt.
Das Zeit-Magazin widmete der neuen alten Farbe, die nach der Farbenlehre von Altmeister Goethe ja eigentlich gar keine Farbe ist, Anfang April eine komplette Ausgabe:
Unter der Überschrift „Voll ins Schwarze“ erklärt Tillmann Prüfer eingehend, warum Schwarz „die Farbe des neuen Jahrzehnts“ sei, warum Schwarz das Operationssaal-Weiß der Nullerjahre abgelöst habe und warum dieser Trend nicht nur bei Kleidung und den neuen Auswärtstrikots der Nationalmannschaft sichtbar werde.
Der eingangs beschriebene Trend zu dunklen Wänden wird durch die Kernaussage des Zeit-Magazins No.15 fundamental untermauert. Doch sollten Sie persönlich Schwarz als zu ernst, zu traurig oder zu elitär empfinden, habe ich noch ein paar hübsche Farbideen als aufheiternde Akzente für Sie:
- CANTALOUPE – ein schöner Melonenton, der vom Sommer erzählt
- ALMOND – erinnert an die Farbe von Mandelmilch
- SAGE – so graugrün wie toskanischer Salbei
- OCEAN – ein müdes Blau
- FIREFLY – bezaubernd wie eine pinkfarbene Blüte
- BAKED CHERRY – ein Rotton, den man fast schmecken kann
- MISTER DAVID – ein fröhlich leuchtendes Gelb
- SECRET SHELL – ein zarter Rosenton, der die Seele anrührt
So verbinden sich die Extreme. Und ob auch Sie sagen: „Mir ist jede Farbe recht, Hauptsache, sie ist schwarz“, ob Sie es mit Walter Gropius halten, der schon zu Bauhaus-Zeiten bekannte: „… bunt ist meine Lieblingsfarbe …“ oder ob Sie sich noch nicht festgelegt haben – entscheidend ist, dass es jetzt nicht mehr heißt: schwarz oder bunt, sondern schwarz oder bunt oder beides.